Little T schläft nicht. Seit einer Woche nicht. Nicht, dass er vorher gut geschlafen hätte, aber jetzt ist er Stunden lang wach. Mal von drei bis fünf, mal von zwei bis vier. Heute Nacht auch. Er wühlt und redet, er krabbelt über mich rüber, wirft seinen Kopf hin und her, meckert, weint, wühlt. Ich bin müde.

Um 5:40 wird die Nacht für beendet erklärt. Paul geht duschen und Little T hat Durchfall. Ich wickel ihn zum ersten Mal.
Paul bringt mir jeden Morgen einen Kaffee ans Bett. Gut, heute ist die Milch alle, was meine Freude aber nur ganz geringfügig trübt. Little T macht wieder in die Windel und krabbelt zu Füßen meines Bettes auf dem Holzboden herum. Immerhin hat er gute Laune. Ich denke, ich sollte ihn wickeln und lasse meinen Kaffee erst mal stehen. Der ganze Fußboden zu meinen Füßen ist voller Windelinhalt. Little T auch. Bis in den Nacken. Ich stelle ihn unter die Dusche, er schreit, der Hund bellt. Paul geht zur Arbeit.
Ich habe kein Handtuch, ich schreie die anderen an, sie sollen die Schlafzimmertür zumachen, sonst tritt der Hund überall rein. Manchmal hört mich ja in dieser Familie jemand. Meistens nicht.
Ich trage den nassen Little T ins andere Bad, ah, keine Handtücher mehr da. Sind wohl alle in dem riesigen Wäschekorb mit sauberer Wäsche, die ich längst mal weggeräumt haben wollte. Ich stelle ihn tropfend auf den Boden und suche, Little T heult ein bißchen, ich kann es ihm nicht verdenken, Ida schreit Emil an, er sollte nicht verraten, was im Adevnstkalender war. Zu spät. Der Hund bellt (diesen Satz bitte beliebig oft an die nun folgenden Sätez einfach anfügen…)
Ich mache schnell Schulbrote, schäle Äpfel und esse selber Schokolade. Es geht nicht anders. Little T klettert auf die gegenüberliegende Bank, schafft es binnen von Sekunden sich das Apfelschälmesser und eine Tasse zu greifen und sieht überhaupt nicht ein, warum ich ihm die Sachen wegnehme. Kurz darauf fällt er unter den Tisch. Jeden morgen das Gleiche. Neue blaue Flecken. Rabenmutter.
Emil fällt jetzt ein, dass er ungeduscht nicht in die Schule kann. Er hat noch genau zehn Minuten, dann trifft er sich mit einem Freund an der Straßenecke. Ich sage, er könne doch nach dem Kung Fu Training duschen. Er ist entsetzt. Natürlich geht das nicht. Er muss genau JETZT duschen. Little T windet sich wie ein Aal, er möchte keinen Schneeanzug anziehen. Als ich versuche ihn auf dem Fahrradsitz im Lastenrad anzuschnallen, biegt er sich wie in den schlimmsten Szenen des Exorzisten. Es erinnernert mich stark an unsere Katze, wenn sie sich weigert in den Katzenkorb zu gehen.
Der Akku vom Lastenrad ist aufgeladen, yippieh, ist oft nicht der Fall. Dafür ist sehr wenig Luft auf den Reifen und das Vorderlicht gibt auf halber Strecke den Geist auf. Hoffentlich treffe ich nicht wieder meine Freunde von der Fahrradpolizei. Heute kann ich mich echt schlecht zusammenreißen. (Hier bellt der Hund übrigens besonders laut, weil wir ohne ihn rausgegangen sind. Aber nur, weil ich die Leine nicht gefunden habe!)
Auf dem Rückweg fahre ich durch den Park, und treffe auf eine Fußgängerampel. Zwei Autos fahren bei rot. Nicht, weil grade erst rot geworden ist. Sie fahren einfach bei rot. Sie zögern nicht, sie bremsen auch danach nicht ab, sie sind nicht erschrocken. Sie haben die Ampel einfach nicht bemerkt. Sie haben nicht mal ein schlechtes Gewissen. Mir gegenüber steht eine Frau und hält im letzten Moment ihre beiden Kinder fest. Vor meinem geistigen Auge sehe ich, wie weit ein Erstklässler wohl fliegen würde, wenn man ihn mit 60 kmh erwischt. Ich könnte heulen.
An der nächsten Ampel fahren auch alle bei rot, aber nur weil es grade rot ist. Ich glaube, grade rot ist noch sowas wie gelb. Und Gelb ist ja sowas wie grün. Little T ist eingeschlafen. Verdammt. Ich zerre ihn aus dem Lasti und versuche ihn unter dem Arm zur Tür zu tragen, mir fällt (natürlich) der Schlüssel runter (besser als Lttle T). Der Hund bellt – er hört, dass wir nach Hause kommen. Bald fliegen wir hier raus, wenn der weiter so viel bellt. Ich packe Little T in den Buggy und nehme die andere Leine und geh mit dem Hund. Meine Lust befindet sich auf einer Skala bei ungefähr Minus drei. In der Küche seh ich auch grade noch meinen kalten Kaffee. Schade. Little T schläft jetzt nicht mehr. Der Hund zerrt so doll an der Leine, dass sie mir aus der Hand rutscht und Striemen hinterlässt. Echt jetzt?
Zur Tagesmutter bringen kann ich Little T so nicht. Das hat den Vorteil, dass ich nicht bis in die Schanze fahren muss. Aber ich komm dann auch nicht zum Markt, da müsste ich aber das Fleisch für den Hund besorgen. Ich muss dem woanders etwas zu Fressen besorgen. Und ich dachte, ich könnte heute schreiben….
Ich treffe eine Nachbarin, die grade sagt, sie mus ihren Job kündigen, weil es mit den Kindern einfach nicht mehr machbar ist. Und eine andere, die sagt, sie rechnet manchmal ganz heimlich aus, wie lange ihr Hund wohl noch lebt. Denn sie hätte keine Kraft mehr Mutter, Ehefrau, Haushälterin und Hundesitterin zu sein, und zusätzlich auch noch zu arbeiten. So denke ich natürlich nicht. Hoffe ich. Aber mein schlechtes Gewissen plagt mich die ganze Zeit. Der Hund läuft ein bißchen zwischen Altbauten hin und her und denkt sich bestimmt: Nachher gehen wir sicher in den Wald. Aber aus nachher wird morgen, aus morgen wird Wochenende aus Wochenende wird… und so weiter. Aus Frust pöbelt er ausgerechnet den schlimmsten Hund des Viertels an, der Besitzer brüllt über die Straße, er würde mich anzeigen, weil ich meinen scheiß Köter nicht unter Kontrolle hab. „Einen Maulkob braucht der!“ flucht er. Ich könnte jetzt heulen, aber ich hab keine Zeit. Ich muss ja noch mal los, Hundefutter kaufen.
Zuhause fütter ich den Hund, dann die Katze, little T schläft und ich räume das restliche Frühstück weg. Ah, keine Geschirrspültabs mehr. Muss ich wohl noch mal los.
Ich mache im Schlafzimmer die Augen zu, nicht um zu schlafen, sondern um den Wäscheberg nicht zu sehen und fang dann an zu arbeiten. Ich habe jetzt ungefähr 30 Minuten Zeit, bis little T wieder aufwacht. Hier liegen zwei Buchprojekte und ich muss ein paar Mails beantworten. Im Februar fange ich wieder an der Schule an. Ich freu mich drauf. Obwohl ich keine Ahnung habe, wie das gehen soll.
Manchmal fühle ich mich als wäre grade rot in meinem Leben. Aber ich weiß, grade rot ist ja anscheinend das neue Gelb und Gelb ist ja sowas wie grün. Hoffentlich.