Interview: 8 Monate reisen und jetzt?

IMG_1350 (1) KopieMiriam reist seit Januar mit ihren Kindern Emil und Ida und Hund Pius in ihrem Campingbus kreuz und quer durch Deutschland, Co Autorin Jana blieb in Hamburg und bekam in der Zeit ihr zweites Kind. Jetzt ist Zeit mal zu fragen wie das Reisen so war.

Du wolltest ja die acht Monate bevor Emil in die Schule kommt nutzen um ihm Deutschland zu zeigen. Gerade in den ersten kalten Monaten wart ihr aber ja höchstens fünf Tage am Stück unterwegs. Wie viele Tage bist du denn in der Summe jetzt tatsächlich herumgereist?

Es kam mir selber viel weniger vor, weil wir ja ständig wieder in Hamburg waren, aber wir kommen in der Summe doch auf fast fünf Monate.

Jetzt wart ihr ja gerade mehrere Wochen in Süddeutschland als letzten großen Trip. Wird dir das herumfahren fehlen oder freust du doch auch auf ein bisschen Beständigkeit und Alltag?

Beides. Die erste Nacht im eigenen Bett war toll. Und sowieso die Ankunft. Wir haben kurz vor Mitternacht Hamburg erreicht und als ich die Wohnung aufgeschlossen habe hab ich gedacht: Man ist das groß, und hell und aufgeräumt. Ich hab ganz viel Lust wieder als Fotografin zu arbeiten. Und die Kinder haben auch echt ihre Freunde vermisst – und ich meine auch! Aber dann kam die ganze Wäsche und der Garten ist so zugewuchert und die Unordnung war auch nach einem Tag wieder da.

Was hast du während des Reisens am meisten vermisst?

img_1627-kopieMeinen Mann. Und Platz…ich war so oft neidisch auf die Menschen neben uns die mit den riesigen Wohnmobilen kamen, dort Abends kochten und bei Regen gemütlich beisammen saßen und Wein tranken. Ich saß zwischen Kindersitzen, Fahrradhelmen und feuchten Handtüchern. Aber dann gab es Momente wo wir unseren Bus den „Flotten Bert“ am liebsten umarmt hätten. Einmal sind wir zu Fuß in ein Gewitter gekommen und hatten uns tatsächlich völlig verlaufen. Als wir dann klitschnass irgendwann den flotten Bert zwischen Bäumen einsam auf einem Parkplatz stehen sahen haben wir ihm alle gesagt wie sehr wir ihn lieben. Und krochen rein, sahen dem Gewitter zu. tranken Saft und aßen Salzbrezeln – da ist dann kleiner Luxus auf einmal riesig groß!

Du wolltest ja ursprünglich für ein paar Monate nach Kanada, bevor du beschlossen hast, deinen Kindern erst mal Deutschland zu zeigen anstatt immer so weit weg zu streben. Ist Deutschland denn jetzt genauso schön und aufregend? 

Kanada ist Kanada und Deutschland ist Deutschland – allein die Größe kann man ja nicht vergleichen. Mir war es ja vor allem wichtig zu begreifen, dass es den Kindern nicht wichtig ist noch weiter, noch exklusiver zu reisen. Ob wir hier oder in Kanada im Wald sind macht nicht so einen großen Unterschied für sie wie für uns. Sie wollen vor allem Wasser, Wald, Natur. Sie wollen Steine schmeißen und Lagerfeuer machen und mit der Familie zusammen sein. Egal wo. Und dafür ist Deutschland perfekt. Es gibt so vieles zu sehen und zu entdecken und eine wunderschöne abwechslungsreiche und vielfältige Natur. Wir haben Rehe und Murmeltiere und Schweinswale gesehen, Fische, Marder, Flusskrebse, Bergziegen und Schlangen und noch viel mehr. Manchmal vergessen wir, wie aufregend das Leben direkt vor unserer Tür ist, weil wir uns schon daran satt gesehen haben. Unsere Kinder aber nicht.

Hast du auch etwas dazugelernt?

img_0154-kopieJa, wie wichtig es ist Zeit zusammen zu verbringen. Und das nicht Zuhause, wo man häufig so im Alltagstrott ist. Immer wenn wir mal beschließen ein paar freie Tage einfach gemütlich Zuhause zu bleiben fangen wir an zu putzen, Regale aufzuhängen und Wäsche zu waschen. Richtig Zeit zusammen hat man erst wenn man Abstand hat. Und Dinge gemeinsam erlebt. Das Zusammensein auf engstem Raum sorgt für viel mehr Körperkontakt, weil gar nicht genug Platz ist für vier Personen und was ich am Schönsten fand: Das Leben findet draußen statt. Nur zum Schlafen sind wir in den Bus gegangen. Die Kinder waren wochenlang nur draußen, von morgens bis Abends.

Ich habe auch gelernt mit wie wenig Materiellem man auskommt. Wir hatten zum Beispiel einen kleinen Sack mit Spielzeug dabei den wir nicht einmal ausgepackt haben. Und wie viel Zeit man hat um zu lesen!

Außerdem hab ich in den ersten Wochen gelernt Probleme alleine zu lösen. Wenn am Bus etwas kaputt war musste ich das alleine regeln. Ich habe gemerkt, dass es Situationen gab, wo ich sonst immer direkt Paul gefragt hätte. Und es fühlte sich gut an zu merken, ich kann das auch alles alleine wenn es darauf ankommt.

Was ist an Deutschland besonders schön?

IMG_6477Vieles! Wir haben so viele Ecken entdeckt die wunderschön sind. Im Norden, in der Mitte, im Süden. Die Natur ist schön. Und es ist wahnsinnig sauber. Sehr vieles ist auf Kinder abgestimmt und auch Nachhaltigkeit spielt überall in Deutschland eine immer größere Rolle. Wir wollten erst noch weiter nach Italien, aber dort ist es viel schwieriger Campingplätze etc. zu finden deren Schwerpunkt wieder auf der Natürlichkeit liegt. Weg von Riesenwasserrutschen, Kinderanimation und Disko am Strand. In Deutschland findet man das überall. Manche Campingplätze bieten wieder selbst gebackenes Brot an, legen den Fokus wieder auf das was campen ja einst mal ausgemacht hat: Übernachten in der Natur.

Was hat Dich am meisten gestört?

 Ich weiß nicht ob gestört das richtige Wort dafür ist, eher gefehlt: Ich finde tatsächlich die Abendgestaltung in Deutschland oft sehr schwierig. Im Süden gibt es Biergärten und am Meer häufig kleine Cocktailbars am Strand und natürlich kann man überall gut essen. Aber dieses Lebensgefühl von Plätzen die bis in die Nacht hinein voller Kinder sind, Menschen die ewig draußen sitzen, essen und Wein trinken, Menschen die bis Nachts am Strand sitzen, irgendwo noch flanieren, Eis essen um Mitternacht – all das hat mir gefehlt. In Deutschland geht man nach dem Essen nach Hause. Und zu wild sollen die Kinder bitte auch nicht um die Tische herum rennen. Das war tatsächlich ein beruhigendes Gefühl als wir nachts um eins endlich Hamburg wieder erreicht haben. Überall saßen noch Menschen draußen, die Straßen bevölkert von gutgelaunten Radfahrern die durch die Sommernacht fahren, die Straßencafés noch voll, schlafende Kinder in Kinderwagen im Park, während die Eltern die letzten Würstchen vom Grill nehmen. Das klappt in Deutschland tatsächlich nur in den Großstädten.

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Heißt das ab jetzt doch wieder in den Süden?

Ja und nein. Nach der ganzen Reise hatte ich schon das Gefühl: So, und jetzt ab in den Urlaub. Weil dieses urtypische Urlaubsgefühl manchmal gefehlt hat. Andererseits war das ja erst der Anfang – je mehr man herum reist desto mehr ist man überwältigt von den Möglichkeiten und dieser Masse an Dingen die man in Deutschland noch sehen will. Wir reisen auf jeden Fall weiter und nutzen ab jetzt die Wochenenden und Ferien um weiter zu erkunden. Paul wird im nächsten Jahr einmal zu Fuß die Alpen überqueren – auch eine Idee die ihm erst während der Reise gekommen ist.

Den nächsten Sommer sind wir aber erst mal wieder in Kanada – wir fühlen uns da alle ein bisschen Zuhause. Obwohl die urtypische Urlaubsstimmung da auch fehlt 🙂

 

 

 

 

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