Es war so schön bei Doreen, aber es wird Zeit weiter zu fahren. Es ist immer noch heiß und die Kinder sitzen ohne Kleidung auf ihren Sitzen und haben nicht so recht Lust. Wir fahren zum nächsten Supermarkt um uns mit Obst einzudecken und ich finde mein Portemonai nicht. Ich räume hin und her, ich drehe durch. Alles fällt mir aus den blöden Schränken entgegen, überall liegt etwas herum. Kleidung, Kekspackungen, der sperige Kindersitz vom Fahrrad. Überall Krümel und Dreck. Ich könnte heulen. Wo könnte ich mein Geld liegen lassen haben? Während ich suche turnen die Kinder über mich rüber. Ich werde wahnsinnig. In mir ist so viel Wut. Es ist so schrecklich heiß, die Kinder so schrecklich nervig und wie soll ich ohne Geld jetzt weiter kommen?
Mir fällt etwas auf den Kopf, ich finde einen zwanzig Euro Schein. Erst mal Obst kaufen und runter kommen. Eigentlich kann das Portemonai nicht weg sein. „Wo hattest du es denn zu letzt?“ fragt Emil. „Wenn ich das wüßte, würde ich es finden!“ pfeife ich ihn an. Man, bin ich doof gerade.
Wir schmeißen das Obst in den Bus. Uns schlägt die Hitze wie aus einem Backofen entgegen. In Niestetal soll es ein Naturschwimmbad geben. Hoffentlich finden wir das. Die Kinder haben keine Lust auf Autofahren, das Navi kennt Niestetal nicht. Ätzend. Dann eben auf gut Glück.
Und in der Hinsicht haben wir immerhin Glück. Wir finden das Schwimmbad. Und – als ich die Handtücher in den Korb schmeiße finde ich auch das Portemonai. Von einem Moment auf den anderen bin ich wieder entspannt. Leider ist das auch umgekehrt der Fall. Wenn etwas schief läuft merke ich sofort wie meine Nerven leiden.
Wir fahren weiter Richtung Kassel wo wir uns mit Carola treffen. Wir kennen uns gar nicht, Carola und ich. Als meine Route bei Facebook öffentlich war, hat sie mich direkt angeschrieben mit dem Angebot: Ich kann dir Kassel zeigen wenn du Lust hast.
Klar, haben wir Lust! Wir dürfen sogar mit dem Bus bei ihr stehen, in Bad Emstal, einem kleinen Ort ungefähr eine halbe Stunde von Kassel entfernt. Die Hitze allerdings bremst uns aus. Draußen sind bereits 35 Grad, im Bus gefühlt das doppelte. Ich brauche Schatten, unbedingt. Ich suche einen Parkplatz und wir befinden uns direkt am Habichtswald. Der Bus steht im Schatten, eigentlich dachte ich, wir laufen einfach nur ein bißchen im Schatten um den Bus herum. Aber dann lockt uns doch der Wald. „Rundweg 2km“ steht auf einem Schild. Das ist machbar, auch bei 35 Grad, vor allem weil es im Wald kühler ist. Ich nehme einen Buggy mit, ich kenne ja Ida. Nach dem ersten Kilometer mag die nicht mehr und mir graust davor sie bei 35 Grad durch den Wald zu schleppen. Emil läuft beschwingt voran.
Nach zwei Kilometern sieht man leider keinen Parkplatz wie angekündigt.
Nach drei Kilometern auch nicht.
Der Himmel verfärbt sich lila, es wird drückend heiß. Emil schleppt sich einen Hügel hoch. „Müßten wir nicht längst zurück sein?“ erkundigt sich Emil. Ja. Ich habe keine Ahnung wo wir sind. Ida läßt sich im Buggy bergauf schieben. Emil und ich schwitzen. Zum Glück haben wir genug Wasser dabei. Ich kippe es Emil in den Nacken. Das tut gut.
Wind kommt auf und fegt die heiße Luft durch den Wald. Das Unwetter steht unmittelbar bevor und ich habe keinen blassen Schimmer wo wir sind. Scheiße. Emil kriegt Angst. „Wenn uns ein Blitz trifft, sind wir tot,“ stellt er fest. „Dann hatte ich kein langes Leben. Ida auch nicht.“ Er denkt kurz nach. „Aber wenigstens ein Schönes,“ fügt er hinzu. Ich könnte ihn manchmal erdrücken vor Liebe.
Die ersten Tropfe prasseln auf uns herab. Niemand ist hier im Wald und selbst wenn, was soll ich sagen? „Wir stehen auf so einem Parkplatz, irgendwo, an irgendeiner Straße.“ Ich habe mir wirklich gar nichts gemerkt!
Emil hat Angst, er mag Gewitter gerne, aber nur wenn man sicher ist. Auf gar keinen Fall im Wald! Endlich begegnet uns ein Mann und sagt, wir müssen an der Gabelung rechts. „ Da müßt ihr euch aber beeilen,“ fügt er hinzu. „Der Wind bringt ein Unwetter mit!“
Na, vielen Dank, jetzt geht es Emil schon viel besser. NICHT!
Ich erreiche die Straße, weiß aber nicht ob links oder rechts rum. Ich sage rechts und versuche ganz selbstsicher zu klingen. Dabei hab ich wirklich überhaupt keinen Plan wo wir sind. Der Regen prasselt auf uns runter. Ich entdecke ein Parkplatz Schild und scheuche die Kinder dorthin. Und da, am Ende vom Parkplatz steht er. „Flotter Bert!!“ rufen die Kinder. „Ich war nie so froh den flotten Bert zu sehen wie jetzt!“ Wir kriechen rein und sehen dem Regen zu, essen Kekse und fühlen uns sagenhaft wohlig. Unser kleines Schneckenhaus. Als wir am nächsten Abend auf einem Stellplatz hinter Fulda stehen kommen noch drei schöne, geräumige Wohnmobile die sich neben uns stellen.
„Weißt du, die haben es bestimmt schön da drin mit so viel Platz,“ sagt Emil. „Aber ich weiß noch, wie doll ich mich gefreut habe gestern den flotten Bert zu sehen. Ich mußte fast weinen vor Freude. Deshalb finde ich ihn viel toller als all die großen Wohnmobile.“