Paul muss arbeiten. Wie so oft. Auch an Ostern. Wir könnten trotzdem Zuhause bleiben. In unserem eigenen kleinen Garten Ostereier suchen. Paul hat Nachtdienst und wäre morgens gegen halb zehn Zuhause. Mit etwas Mühe konnte er sich wach halten. Und mit suchen. Und dann wieder schlafen und um acht wieder in der Klinik sein. Das klingt in meinen Ohren a) unromantisch und b) nach Konfliktpotential. Es gibt kaum etwas zermürbenderes als Streit, Müdigkeit, aus irgendeinem Grunde unzufriedenen Kinder, sich türmender Haushalt und ein kläffender Hund wenn man einen Partner hat, der all das zufrieden verschläft. Das ist natürlich ungerecht, denn er hat ja ein gutes Recht den tag zu verschlafen. Er bleibt aber eben doch ein Mensch im warmen Bett. Während man selbst…. usw.
Also fahren wir aufs Land. Genau genommen nach Zeven. Letzte Woche traf meine Mutter in der Zevener Fußgängerzone auf eine ihr fremde Frau die sich erkundigte, was sie denn an einem Regentag so machen könne in Zeven. Und Stille trat ein. Denn um es gemein zu sagen: Nichts.
Bei Sonne mag das anders aussehen. Man kann wunderbar Kanu fahren um Zeven herum,. Es gibt sehr schöne Wälder, die Mehde, einen kleinen unscheinbaren Fluss, der sich durch den Wald schlängelt, durch den man barfuss laufen kann. Es gibt ein Naturschwimmbad, das leider unterschätzt wird, weil es wirklich schön ist (man aber hin und wieder neben Fröschen schwimmt). Es gibt ein kuscheliges Kino, mit Tischchen für die Getränke, ein Kloster (das fast immer geschlossen hat) das „Christinenhaus“ das Kunst aus der Gegend ausstellt (und auch ständig geschlossen hat) und eine wirklich schöne, alte Kirche.
Da bin ich groß geworden. Und eigentlich ist es auch wirklich ganz schön da. Denn da sind Oma und Opa, und deren wunderschönes Haus mit dem riesigen Garten, dem Kletterbaum, der alten Birke an der früher immer meine Schaukel hing und dem Wald dahinter.
Über Ostern sind alle da. Meine Brüder und ich und alle Kinder. Aber vor allem die Freunde meiner Eltern. Seid Jahren treffen die sich an Ostern, ja, seit Jahrzehnten. Schon als ich klein war haben wir zusammen Ostereier bemalt, haben als Teenager im Feuer herumgestochert. Sind von diesen Menschen unser Leben lang begleitet worden. Gemeinsam Kanu gefahren Jahr für Jahr, mitbekommen, wie alle nach und nach Kinder bekamen und jetzt Enkelkinder.
Den Wert von Freundschaft konnte niemand so gut vermitteln wie meine Eltern. Die seid ihrer Schulzeit diesen Kreis von Freunden um sich wissen, nicht missen wollen, darauf zählen und sich ein Leben lang begleitet und getragen haben. Mit einer unsichtbaren Kraft lassen sie es ganz selbstverständlich wirken. Freundschaften, die nicht zerbrechen, Menschen, die ihre eigenen Weg gefunden haben, in anderen Städten leben und sich dennoch nie getrennt haben. Freunde meiner Eltern, die heute mit meinen Kindern durch den Garten toben. Der Generationen, die immer wieder zusammen kommen. Die ihre Gedanken teilen und ihre Leben und uns bereichern mit ihren Geschichten.
Viele Kinder laufen durch den Garten, sitzen am Feuer und lachen lange bis es Dunkel ist. Der Hund rennt dazwischen herum, es riecht nach Feuer und Rauch, nach gegrilltem und frischer Erde.
Vielleicht ist es unspektakulär in einer Stadt wie Zeven groß zu werden. Vielleicht passiert hier nicht viel, wenn es regnet. Aber vielleicht ist das auch der Grund uns in dem zu festigen was wir haben. Freundschaften. Beisammen sein.
Manchmal veranstalten meine Eltern selbst Konzerte in unserem Garten, verbinden sie mit Sommerfesten oder Geburtstagen. Bringen das in ihr Leben, was ihnen an Zeven fehlt. Vielleicht macht das Nichts einen ja auch kreativ.
Die Kinder jedenfalls lieben es durch den riesigen Garten zu toben, im Wald nach Ästen für das Stockbrot zu suchen, im flachen Wasser des Sees mit Gummistiefeln herum zu stapfen. Und manchmal, wenn der Abend kommt und die Stille, dann trauen sich die Rehe bis in den Garten. Und jetzt, sagt Opa manchmal am Kamin, gibt es auch wieder einen Wolf. Einige haben ihn schon gesehen.
„Zum Glück haben wir Pius,“ seufzt Emil. „Der kann uns immer beschützen.“