Reisen im Bus ist übrigens sehr schön. Wirklich. Manchmal schreibe ich ja auch darüber wie schön es ist. Man öffnet morgens die Schiebetür und sieht direkt auf die Elbe. Nebelschwaden, grasende Rehe, Kraniche, die lautlos über das Wasser ziehen. Kaffee in der Hand, links und rechts ein warmes, duftendes Kind. Manchmal wünschte ich, jemand würde jetzt ein Foto von uns machen. Im Morgenlicht. Jetzt, wo die Idylle am Schönsten ist, jetzt, wo sie genau dem entspricht was ich mir vom reisen mit dem Bus so versprochen habe. Dann sieht man den Hund aus den Fluten der Elbe steigen, sich schütteln, Tausend Tropfen in der aufgehenden Sonne, ein beherzter Sprung durch den Matsch, der sich in einigen Ecken auf den überschwemmten Elbwiesen gebildet hat, ein rasanter, erfreuter Anlauf und ein gezielter Sprung ins Bett. Trotz Schreiens.
Der Kaffee kippt aus, die Kinder schreien, alle Bettdecken nass und voller Matsch. Ich versuche 30 Kilo Hund wütend aus dem Bus zu schmeißen, die Kinder schreien: Nicht Pius weh tun!
Ich könnte heulen. Ich stolpere über ein Kabel, falle barfuss vor den Bus, die Kraniche ziehen lautlos über meine Köpfe, die Rehe haben längst reiß aus genommen. Guten Morgen, du wunderschöne Zeit im Bus.
Mittags haben die Kinder Hunger. Kein Problem, denn im Bus findet sich immer etwas zu Essen und diesmal waren wir sogar einkaufen und haben ganz frische Gnocchi erstanden. Olivenöl, Rosmarin, Salz und Pfeffer und wenn ich die Pfanne wiederfinde sogar noch Spiegeleier. Wo kann die Pfanne sein? Hab ich sie irgendwann mal rausgeräumt? Kann man auch im Topf Spiegeleier braten?
Erst mal muss man den Gashahn aufdrehen. Ich drehe den selbstverständlich immer ab (wirklich) weil ich eine Urangst vor Gas habe. Um ihn aufzudrehen muss man NUR die Rückbank nach vorne schieben und wenn man dann noch so ungefähr 40 Kilo wiegen würde, käme man echt gut an den Hahn. Bei mehr als 40 Kilo wird es schon schwieriger. Man kann sich so längs schlängeln, also längs und nicht quer. Dann muss man es schaffen mit einer Hand die Abdeckung zu heben (schlau wäre es, vorher alle Kissen und Taschen von der Abdeckung zu räumen, dann wäre es nicht ganz so schwer, aber wohin dann mit dem Zeugs?). Die eine Hand zittert also bereits vor Kraftverlust, mit der anderen den Hahn aufdrehen, bewegungsunfähig versteht sich und dann „Ich hab Durst!“ Hm. „Kann ich was trinken? Kannst du mir kurz ein Glas geben?“ Nein. Ich stecke fest, meine Hand zittert, ich weiß nie so ganz genau wo ich drehen muss. „Gleich…,“ murmele ich. „Ich hab aber jetzt Durst!“ Der Deckel knallt mir auf die Finger. Jemand steigt über meine Füße. „Wo sind die Gläääääser?? Da komme ich nicht ran!“
Kein Problem, neuer Versuch, Hahn aufdrehen, rausschlängeln, Kopf stoßen, Schienbein stoßen, Rückbank wieder vorschieben, klemmt, noch mal versuchen, dabei das andauernde „Ich hab JETZT Durst!“ ausblenden. Die häufigste Rede die ich auf Reisen im übrigen halte dreht sich um Rücksicht. Sie fruchtet nicht.
Ich suche Gläser (alle dreckig) und fließendes Wasser (leider alle und der Tankdeckel fürs Frischwasser ist abgeschlossen und den Schlüssel hat Paul). Also zum Haus laufen und Wasser in Flaschen herunter tragen. Meine armen Kinder, die müssen wirklich oft auf ihre Wünsche warten. Vielleicht bin ja ich diejenige die Rücksichtslos ist? Das Gemecker ist auf jeden Fall real.
Ich sage, geht doch bitte raus während ich koche, aber sie verstehen: Bleibt doch bitte drin und tobt über die Sitze. Die blöde Pfanne finde ich auch nicht (am Ende aber doch, nämlich als wir fertig sind mit essen). Also Spiegeleier im Topf – das muss doch irgendwie gehen. Unser Kühlschrank öffnet sich nach oben, wie eine Kühlbox. Ich greife die Packung mit den Eiern und schaffe es doch tatsächlich, das ich mir noch mal die Finger klemme. Die Klappe knallt runter, ich schreie, die Packung mit den Eiern rutscht mir aus der Hand. Eier überall. Auf der kleinen Leiter zum Hochbett (die direkt in der Küche steht und sowieso immer im Weg ist) auf dem Boden, an den Schränken, auf dem kleinen Teppich. Wegwischen? Ach nee, geht nicht, die Küche ist so klein, dass man sich nicht bücken kann, zumindest nicht so lange da noch die Tasche mit den Lebensmitteln steht. Hochstellen? Geht nicht. Da stehen schon die Kaffeemaschine und die beiden Töpfe. Mehr Platz gibt es nicht. Unter meinem Fingernagel läuft es blau an. Na dann, Guten Appetit.
Mir fällt im Bus manchmal nicht so Recht ein was wir kochen könnten. Also beschließen wir am Abend zu picknicken. Den Strand haben wir ganz für uns, Abends scheint die Sonne noch wärmend darauf. Wir (also ich) trage alles runter zum Strand. Ich überlege noch krampfhaft wie ich es schaffe, dass der Hund uns nicht alles von der Decke klaut, aber der achtet diese absolut als Grenze und benimmt sich vorbildlich. Wir packen alles aus. Brötchen, kleine Schalen mit Oliven und Mozzarella, Frischkäse, Butter, Paprika, Käse. Schön sieht es aus. Endlich fühlt sich wieder etwas richtig an. Der Hund kaut genüsslich sein Würstchen, die Kinder schmieren ihre Brote. Die Abendsonne wirft ein fantastisches Licht. Pius beendet seine Würstchen Kauerei und findet es selbstverständlich am Schönsten in unserer direkten Nähe zu sein. Da er die Decke ja als Sperrgebiet achtet geht es also nur direkt daneben. Ein kühner Satz, ein erfreutes, motiviertes Bellen und schon wird das erste Loch gegraben. Mit ihm wird all unser ausgebreitetes Picknick unter einem Schwung feuchtem Sand begraben. Mozzarella, Frischkäse, Oliven – alles kann direkt in die Mülltüte. Und auch der Rest lässt sich nur noch mit knirschenden Zähnen essen. Na dann, Gute Nacht.
So ist reisen im Bus.
Anders aber auch 🙂