Der Harz. Für mich war der Harz immer irgendwie düster. Wie eine Welt, die zu Zeit der schwarz-weiß Filme stehen geblieben ist. Nein, besser noch der siebziger Jahre Heimatfilme. Im Harz gibt es dunkle Tannen, Senioren die Ski fahren und Cafés, in denen man Eierlikör und Harzer Schnaps trinkt und das Mobiliar seit 1982 nicht gewechselt wurde.
Im Grunde sieht der Harz – ach Überraschung – aber gar nicht so aus. Vor sechs Jahren tat er das aber vielerorts tatsächlich noch. Zum Beispiel in Schierke. Paul und ich waren mal in Schierke, nur weil meine Brüder und ich damals auch mal dort waren und eine Faszination für leerstehende Gebäude entwickelt haben. Ich wollte Paul auch unbedingt diese leerstehenden, verfallenen Hotels zeigen. Mit zersplitterten Fensterscheiben, aus denen der Wind zerfetzte Vorhänge wehte. Überbleibsel einer Zeit die längst nicht mehr existiert. Irgendwann damals als man noch in den Harz fuhr und dort mondän seinen Urlaub verbrachte. Und dann? Stand irgendwann eine neue Generation da, die Generation nach der Wende, die am liebsten durch die Ruinen verfallener Luxushotels streifte und ein bisschen Harzer Grusel suchte. Paul und ich selbstverständlich auch.
Bei unserem letzten Harz Trip mit Pauls Familie, von der ein Teil jetzt Sonderlicherweise auch freiwillig im Harz lebt und (Überraschung!!) da ist es auch noch schrecklich schön – da wollten Paul und ich unbedingt wieder nach Schierke. Und auch mal mit den Kindern um die verlassenen Hotels streifen. Oh, der Emil würde den Nervenkitzel lieben!
Man, wie naiv wir waren. Sechs Jahre nach dem letzten Besuch? Hatten wir wirklich gedacht die Zeit würde hier stehen bleiben. So ein paar verlassenen Hotels die würde man auf ewig und immer stehen lassen? Schierke sah nicht mehr aus wie Schierke und das seltsame Cafe in dem wir damals halt machten und das stark an eine Tatort Kulisse erinnerte, gab es auch nicht mehr. Ich erinnere mich noch sehr gut wie bei unserem Eintreten alle Gespräche verstummten und selbst die Löffel in den Kaffeetassen erstarrten. Die Speisekarte war per Hand in ein Din A5 Schulheft geschrieben und am schwarzen Brett pries jemand seine „Jugendstil Möbel“ an, dabei handelte es sich um Bett, Schrank und Schreibtisch aus einer zusammenhängenden Kombination in Holzoptik wie man sie in den 80er Jahren gerne unter der Rubrik Jugend Möbel im Versandhauskatalog finden konnte.
Schierke war nicht mehr das was es mal war. Und eigentlich alles andere was wir bereits kannten auch nicht. Vor Jahren schoben sich ausschließlich Rentner mit Rollatoren durch die Fußgängerzone in Bad Harzburg. Und heute? Gibt es ein Bio Hotel, kleine süße Läden und den Baumwipfelpfad, der jedes Jahr Familien anzieht – uns eingeschlossen, das Wetter zwingt uns aber das Event auf den Frühling zu vertagen.
Statt dessen besuchen wir Giuliana. Eine Frau, für die der Begriff Powerfrau glaube ich erfunden wurde. Die ursprüngliche Wirtschaftsingenieurin hat sich hier ihren Traum vom eigenen Laden erfüllt und ist somit die Vorreiterin der Veränderung. Sie näht entzückende Kinderleidung aus GOTS zertifizierten Stoffen die zum Teil sogar nur für sie designed worden sind und hat in der Elternzeit den Entschluss gefasst nicht in ihren alten Job zurück zu kehren. Giuliana lebt das wovon viele träumen: Sie hat umgesetzt, was sie sich gewünscht hat. Dazu gehört natürlich Mut. Und Unterstützung. Die hat sie vor allem durch ihre Mutter, die ihr im Laden hilfreich zur Seite steht.
Die Nachfrage sei da, sagt Giuliana. Und auch sie konstatiert den Wandel im Harz. Gerade die Touristen bringen neuen Schwung in die Region und der Baumwipfelpfad, der die Familien anzieht. Überall Natur, überall Platz für Kinder, neue Spielplätze, Erlebnispfade, Rodelbahnen – der Harz rüstet auf. Und trifft den Nerv der Zeit: Zurück ins Grüne. Naturkind heißt Giulianas Laden – und der Name ist Programm. Der Harz ist die Verkörperung der Natur, und die Stoffe mit denen sie arbeitet so natürlich wie möglich.
Hier findest du mehr zu Giulianas Laden Naturkind!
Im Grunde hat es dem Harz sogar gut getan so lange den Wandel der Zeit zu verschlafen. Er hat vergessen aufzuspringen auf den Zug der vielen großen Hotelketten, hat vergessen Starbucks und Mc Donals zu Hauf in die Innenstädte zu lassen, hat verschlafen, dass es nahezu Pflicht ist die typischen Modeketten nebeneinander zu drapieren. Er erwacht erst jetzt, wo der Trend wieder zur Natürlichkeit geht, zu Bio Hotels, verwunschenen Pfaden, ein bisschen Mystik, viel Nachhaltigkeit. Wo der selbstgebackenen Kuchen viel mehr Wert ist als die Massenproduktion.
Das führt uns nach Ilsenburg, in einen ganz besonders verzauberten kleinen Laden. Und mit klein meine ich wirklich klein. Er liegt nahezu direkt neben der Bibliothek, die definitiv erwähnenswert ist. Bei schlechtem Wetter kann man auch als Tourist hier kurz einkehren, die Kinder in den gut sortierten Büchern lesen lassen, selbst ein bisschen stöbern oder sich mit einem Buch auf einem der bequemen Stühle niederlassen und lesen.
Danach darf man aber den Ilsenburger Laden nicht vergessen. Ja, der heißt tatsächlich so, was aus Ermangelung vieler anderer kleiner Läden durchaus möglich ist. Der Ilsenburger Laden hat das was man sich als Kunde wünscht: Eine gute, aber kleine Auswahl selbstgemachter und natürlicher Lebensmittel sowie eine zuvorkommende und freundliche Eigentümerin, die Apfelsaft an die Kinder ausschenkt, eine warme Atmosphäre ausstrahlt und Harzer Traditionen pflegt. Das Gemüse stammt von den Bio Höfen aus der direkten Umgebung, handgemachter Senf, sowie selbtsgemachte Marmeladen, Säfte aus der Region und frisches Wildfleisch.
Mehr zum Ilsenburger Laden findest du hier!
Am Ende kommen wir um den selbstgemachten Kuchen natürlich auch nicht drum herum und zwar im Café Grünspan in Abbenrode. Die ehemalige Scheune wurde liebevoll zum Café umgestaltet, geheizt durch einen dicken, schwarzen Ofen und dekoriert mit Blumen und – der Saison entsprechend – vielen kleinen Porzellan Häschen, die die Osterzeit ankündigen. Im angrenzenden Laden erstehen wir eine Schokolade mit Chilli für Paul und die Kinder bestaunen die Osterdeko.
Mehr zum Café Grünspan findest du hier!
Am Ende hat uns jeder immer noch mehr berichten können vom Wandel im Harz. Wir wurden weitergetragen von a) nach b), jeder kannte jemanden, der auch etwas eröffnet hat, etwas bastelt, baut oder näht. Oder einen Pfad, der schöner ist als andere, einen Wasserfall, der lauter rauscht als die anderen, Märchenstrassen. Cafés, Seilbahnen und Burgruinen. Vielleicht sollte ich einen Blog nur über den Harz schreiben. Genug zu berichten gäbe es auf jeden Fall. Wir kommen wieder. Am liebsten im Frühling. Also bald mehr dazu!