Tag 9: Was der Hamburger liebt

img_0287-kopieEs wird noch sehr viele Beiträge zu Hamburg geben. Das lässt sich nicht vermeiden, von jemandem., der in Hamburg lebt und vor allem, der Hamburg so sehr liebt, wie ich. Aber im Rahmen der chronologischen Reiseberichte lässt sich diesmal nur festhalten: Was der Hamburger wirklich liebt? Die Elbe.

Manchmal sagt man, der Hamburger liebt entweder die Elbe oder die Alster. Vielleicht ist ein Funken Wahrheit dran. Die Alster liegt ruhig und gediegen inmitten von Grünanlagen und Villen. Hier sitzt man auf Bootstegs und trinkt Weißweinschorle, man trägt Barbour Jacken und besitzt Golden Retriever.

An der Elbe trinkt man Astra im Sand, der Fluss ist unruhig und steht nie still, man trägt Vollbart und hat mindestens einen Mischlingshund, wenn nicht gar einen aus einem Auffanglager in der Ukraine oder aus Portugal.

Vielleicht ist das so. Vielleicht ist das auch quatsch. Vielleicht kann man sich auch einfach sagen: Wie schön, dass wir beides haben. Und voller revolutionärem Potentials hin und wieder unser Astra auch auf den Alsterwiesen trinken.

Für uns hat die Elbe den Nachteil, dass wir sie schlecht erreichen können. Früher sind Paul und ich oft mit dem Rad an die Elbe gefahren. Aber für Emil ist die Strecke zu lang, und nicht nur das ich –wie bereits mehrmals betont – öffentliche Verkehrsmittel hasse (vor allem im Winter!) sie fahren auch noch so kompliziert durch die Weltgeschichte, dass man mehrmals umsteigen müsste und da endet dann meine Geduld.

Also muss der „Flotte Bert“ uns bringen. In der Woche kein Problem, dachten wir. Aber Montags Vormittags bei strahlendem Sonnenschein tummelt der Hamburger sich am Strand. Ich habe längst aufgegeben mich zu fragen, woher all diese Menschen kommen, die tagsüber die Cafés bei uns im Viertel bevölkern, die an den Kassen der Bio-Supermärkte Schlange stehen, die in den Fitness-Centern für Stunden auf dem Laufband rennen oder die heute mit Kind und Hund am Elbstrand flanieren. Wir ja auch? Aber haben die alle heute ausnahmsweise frei? Machen die alle Home Office? Besteht die Welt aus Freelancern und Künstlern und Kreativen, die sich ihre Zeit selbst einteilen?

Die „Strandperle“ hat geschlossen, aber der angrenzende Ahoi Kiosk ist geöffnet und alle Tische besetzt. Im Sand spielen Kinder mit Schaufeln und Eimern, vom gegenüberliegenden Hafen ist das Donnern der Container zu vernehmen. Es gibt bestimmt eine Million Beiträge über die Strandperle. Und vielleicht auch bereits eine Million Touristen, die dort jährlich einkehren. Die Strandperle wird in jedem Reiseführer genannt. Und dennoch bleibt sie auch Hamburgern erhalten. Wir lieben sie. Wo sonst trinkt man guten Kaffee mit den Füßen im Sand, der Sonne im Gesicht, dem Blick auf die riesigen Kräne des Hafens? Kann man immer wieder Liebeserklärungen an die Strandperle schreiben? Ja.

Die Kinder und der Hund rennen den Strand entlang. Es ist Ebbe, der Strand sehr breit, Emil macht den üblichen Stein Text (großen Stein in Wassernähe ablegen und nach einer Stunde nachsehen, ob er näher oder noch weiter entfernt vom Wasser ist. Daran lässt sich ablesen, ob gerade Ebbe oder Flut ist.). Die Gezeiten sind für die Elbe gar nicht so belanglos, wie man als Strandgänger so meinen könnte. Wir verbringen den Sommer gerne am „umgestürzten“ Baum am anderen Ende des Strandes. Dieser ist nur bei Ebbe zu erreichen und wir wurden schon mehrmals von der Flut in die Enge getrieben und mussten am Ende Picknickkörbe und Taschen die holperigen Steine hinaufschleppen.

Kinderparadiese bestehen im übrigen aus folgender dreier Kombination: Wasser, Sand, etwas zum Klettern. Fertig ist der Traum. Von jetzt an kann man sich sinnierend in den Sand setzen und ihnen nur noch zusehen. Leider ist der Sand zu kalt. Als wir bereits frierend von einem Bein aufs nächste treten und sehnsüchtig gen Kaffee schauen, spielen die Kinder immer noch unermüdlich. Die Ärmel der Jacken schon triefend nass, die Hosen voll nassem Sand, der Hund voller Spirtzwasser. Im Grunde sind alle glücklich – nur die einen kälter als die anderen.

Die Kinder essen „Hotdogs“ an der Strandperle, Paul und ich teilen uns ein Stück Kuchen. Romantisch ist es. Wie Urlaub. Und doch ganz anders. So urban, so lebendig. Das Tor zur Welt im Blick, die Hände um den Becher mit dem heißen Kaffee. Wer nach Hamburg kommt? Muss einmal in die Strandperle. Ist einfach so.

Ach ja, und hier haben wir im übrigen das bisher eine und einzige Male Schweinswale gesehen. Sie sind direkt vor uns aus dem Wasser gesprungen, wie kleine Delphine. Seitdem halten wir Ausschau. Haben sie aber nie wieder entdeckt.

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